16.05.2023 - Die Rheinpfalz -

Ohne Smartphone: Der lange Weg zum 49-Euro-Ticket

Wer kein Smartphone hat, muss einen Bestellschein ausfüllen und abschicken – Das verärgert Kunden
Von Barbara Sittinger

Das 49-Euro-Ticket als Plastikkarte muss man bestellen. Man kann es nicht einfach am Schalter kaufen wie das beim 9-Euro-Ticket war. Das enttäuscht viele, die zum Zweibrücker Bahnhof kommen – und unverrichteter Dinge abziehen müssen. Die Mitarbeiter dort trifft keine Schuld. Sie können vor Ort kein Ticket ausstellen, so will das die Bahn. Stattdessen erhält der Kunde eine Broschüre mit Bestellschein, den er selbst ausfüllen und per Post abschicken muss.

„Ich werde mich bei der Bahn beschweren“, sagt der junge Mann beim Verlassen der Mobilitätszentrale des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN) am Zweibrücker Bahnhof, ohne 49-Euro-Ticket, aber mit einer Broschüre in der Hand. Gekommen war er, weil er kein Smartphone hat, mit dem er sich die App fürs Deutschlandticket runterladen könnte. Kein Einzelfall für Cathrin Löffler und Tim Renkawitz, als Mitarbeiter des Roten Kreuzes zuständig für die VRN-Zentrale, die montags-, dienstags-, donnerstags- und freitagsvormittags geöffnet ist. Auch Post, Kiosk, Backshop und Kleiderkaufhaus im Bahnhof werden vom Roten Kreuz betrieben.

Meist seien es ältere Leute, die kein Smartphone haben und hoffnungsfroh zum Bahnhof kommen, um sich vor Ort ein Deutschlandticket zu kaufen, sagen die beiden. „Viele sind dann überrascht, dass das nicht geht. Beim 9-Euro-Ticket ging das doch auch“. Dass jetzt alles anders sei, müssten sie dann immer „mit viel Geduld erklären“. Bis zu 20 Personen am Tag müssten sie wegschicken; die Leute reagierten aber verständnisvoll. Löffler: „Mir selbst ist das unangenehm, wenn ich den Leuten nicht helfen kann.“ v Man könne auch nicht einfach für den Kunden an den Computer gehen und dort ein Ticket bestellen, das funktioniere nicht. Es bliebe nur die Broschüre, „die ausgefüllt und mit SEPA-Lastschriftmandat und einem Lichtbild“ an eines der aufgeführten Verkehrsunternehmen geschickt werden müsse, so Löffler. Und zwar bis zum 10. des Vormonats, damit man die Karte dann im Folgemonat rechtzeitig in der Tasche habe.

Vielen sei auch nicht klar, dass es sich beim Deutschlandticket um eine Jahreskarte handelt, ergänzt Löffler. Es könne zwar monatlich gekündigt werden, „doch wenn man für den Juni kündigt, dann läuft das Abo im Juli weiter“, verdeutlicht Löffler. Manche legten auch einen 50-Euro-Schein auf den Tisch, weil sie grad nicht mehr Geld hätten, und hofften, so ein Ticket für einen Monat zu bekommen. „Die, die das Ticket brauchen könnten, kriegen es dann nicht“, stellt Löffler fest.

Dass wegen des Deutschlandtickets, das man selbst nicht verkaufen dürfe, nun insgesamt weniger Tickets in der Mobilitätszentrale über die Theke gehen „merken wir deutlich“, sagt Löffler. Wer zuvor etwa eine Fahrkarte nach Saarbrücken hin und zurück löste, mache dies meist nicht mehr, weil sich das Deutschlandticket schon bei der zweiten Fahrt lohne.

„Uns brechen Kunden weg“, bestätigt DRK-Kreisverbandsgeschäftsführer Hans Prager. Er selbst könne nicht verstehen, dass es „so viele Hürden beim Deutschlandticket gibt für alle, die nicht online sind.“ Er denke da nicht nur an ältere Leute, „sondern auch an Menschen mit Beeinträchtigungen, die benachteiligt sind“. Es sei auch nicht zu verstehen, „dass Personal da ist, das aber kein Ticket rausgeben darf“, so Prager.

Auch Bernhard Marschall, Vorsitzender des Vereins zur Förderung des Schienenverkehrs in und um Zweibrücken, hält mit seiner Kritik nicht hinterm Berg und fragt, „was das für schöne Tickets sind, die man nirgends kaufen kann“. Dass man das Deutschlandticket auch nicht am Automaten ziehen kann, liege daran, „dass es zu viele unterschiedliche Verkehrsverbände gibt, die alle ihre Pfründe behalten wollen“.

Robert Katzer vom Verkehrsverbund Rhein-Neckar weist auf Anfrage jegliche Kritik am Bestellablauf von sich: „Wir haben alle Vorverkaufsstellen für das Deutschlandticket mit Bestellscheinen ausgestattet, auch die Mobilitätszentrale in Zweibrücken.“ Die Servicestelle vor Ort solle „den Kunden helfen, ans Ticket zu kommen“. Es sei „nichts Neues, dass man eine Karte erst beantragen muss“. Auch bei der Karte ab 60 habe man einen Bestellschein abgeben müssen. Deshalb verstehe er die Aufregung nicht. Er versichert, „man braucht kein Internet, um an das Ticket zu kommen“.


Dazu am 23.05.2023 ein Leserbrief:
49-Euro-Ticket
„Warum nicht als Monatsticket zu höherem Preis?“ Zum Artikel „Der lange Weg zum Deutschlandticket“ vom 16. Mai über die Schwierigkeiten, ein 49-Euro-Ticket zu bestellen, wenn man kein Smartphone hat.Warum bietet man das Deutschlandticket nicht auch als Monatsticket zu einem höheren Preis, zum Beispiel 59 Euro, an? Das war vom 9-Euro-Ticket bekannt. Das wäre dann sofort nutzbar und wäre besonders für Leute interessant, die es zuerst ausprobieren wollen, also neue ÖPNV-Nutzer *. Als Anreiz zum Umstieg auf das Abo könnte man den Mehrpreis zeitlich begrenzt erstatten.
Gerhard Stengel, St. Ingbert

* aber auch für Touristen aus dem Ausland (G.S.)