08.04.2017
Die Rheinpfalz

Mehr Fahrgäste in Bussen und Bahnen

Die 1991 stillgelegte Bahnstrecke von Zweibrücken nach Homburg soll reaktiviert werden. Es könnte eine Erfolgsgeschichte werden, so wie vor 160 Jahren, als die Bahnverbindung zwischen den beiden Städten begann. Ein Rückblick aus gegebenem Anlass auf einige Parallelen zwischen damals und heute.
Von Klaudia Gilcher

Wie sich die Abläufe gleichen. Als 1836 Unternehmer aus dem preußischen Saarrevier eine Eisenbahn von Saarbrücken bis Mannheim bauen wollten, fand das am königlichen Hof zu München keine Gegenliebe. Hätte die Linie doch größtenteils durch die damals bayerische Pfalz geführt. Sie von Preußen planen zu lassen, kam nicht in Frage. Stattdessen entstand recht flott die pfälzische Ludwigsbahn von Ludwigshafen bis ins Kohlerevier im bayerisch-preußischen Grenzort Bexbach – nach ihrer Eröffnung 1849 dauerte es noch drei Jahre, bis auch Saarbrücken angebunden war.In der Gegenwart beschäftigt bereits seit Jahren die „grenzüberschreitende“ Eisenbahn von Zweibrücken nach Homburg das Saarland und Rheinland-Pfalz: Die 1991 stillgelegte Bahnstrecke soll, im Idealfall bis 2021, reaktiviert werden. Doch jenes rückgebaute Teilstück der gut elf Kilometer langen Trasse, das dazu teuer neu verlegt werden müsste, liegt auf saarländischem Gebiet. Den Nutzen der Verbindung hätten aber vor allem die Pfälzer.

Die Diskussion um das Großprojekt und seine Finanzierung zieht sich seit Jahren hin. Inzwischen scheinen sich die Länder einig, es steht die Genehmigungsplanung an. Privatleute haben Initiativen gegründet, Geschäftsleute rechnen mit Umsatzverschiebungen – je nach Standort zum Guten oder Schlechten. Auch das ist nicht neu: „Sowohl in Homburg als auch in Zweibrücken wurde von amtlichen und halbamtlichen Stellen gegen die Eisenbahn gearbeitet – in Homburg, weil man durch sie ,den Ruin für den Homburger Handels - und Gewerbestand’ befürchtete, und in Zweibrücken, weil man glaubte, ,die schöne und ruhige Beamtenstadt würde durch die neue Eisenbahn zu stark verrußt werden'“, zitiert Hans Ammerich, Historiker und 35 Jahre lang Direktor des Bistumsarchivs Speyer, in seinem zusammenfassenden Aufsatz „...dem großen Weltverkehr angereiht. Zweibrücker Bemühungen um den Anschluss an die Eisenbahn“ seine Quellen. Er spricht hier nicht von heute, sondern vom 19. Jahrhundert, als Zweibrücken alle Hebel in Bewegung setzte, um endlich an den modernen Verkehr angebunden zu werden.

Es sei vorweggenommen: Die Befürchtungen waren unbegründet. Die Rentabilitätsberechnung des Ludwigsbahn-Chefs und Eisenbahningenieurs Paul Camille von Denis erwiesen sich als zutreffend – die Bahn schüttete ihren Aktionären in den ersten 25 Jahren ihres Bestehens stets mehr als jene vier Prozent Dividende aus, die der bayerische Staat den Anteilseignern als Anreiz garantiert hatte. Schon im Juli 1857, kaum zwei Monate nach der feierlichen Eröffnung der Stichstrecke, schrieb das Zweibrücker Wochenblatt: „Unsere Stadt verschönert sich von Tag zu Tag.“ Fassaden wurden hergerichtet, Häuser gestrichen – und es würde noch viel mehr gemacht werden, würden sich nur genug Handwerker für die vielen Aufträge finden. Der Wirt vom „Pfälzer Hof“ hatte die Chance auch sofort erkannt. Er bot vom Fleck weg Shuttleverbindungen vom Bahnhof zur Gaststätte an.

In den Folgejahren begann Zweibrückens Industrie zu blühen – die zweigleisige Zweibrücker Zweigbahn beförderte zwar fünfmal täglich bei einer Fahrtzeit von 23 Minuten Personen, sie war aber vor allem als Wirtschaftsbahn konzipiert. Brauereien und Fabrikanten von Stiften, Seidenwaren, Papier und Armaturen schafften ihre Güter nun schnell zu den wichtigen Märkten. Das umso mehr, als Zweibrücken mit der Anbindung an die Strecke nach Landau mit Abzweig Richtung Pirmasens 1875 Durchgangsbahnhof wurde. Der Bahnhof am Fuß des Kreuzbergs gegenüber der Dinglerschen Maschinenfabrik – heute fertigt dort der Kranbauer Terex – wurde mit dieser Erweiterung aufgegeben und ein neuer, der 1941 Hauptbahnhof benannt wurde, gebaut.

Historiker Hans Ammerich wurde 1949 in Zweibrücken geboren. Er erinnert sich noch gut an die Tage, als seine Mitschüler vom Bliesgau mit dem Zug hereingefahren kamen und die Dinglerschen Grubenlüfter vom Werksgelände in der Ernstweilerstraße auf dem Güterwaggon langsam zum Bahnhof und von dort weiter ins Revier rollten. Der Maschinenbauer Christian Dingler hatte früh zu den Befürwortern einer Zweibrücker Eisenbahn gehört. Schon 1844 gründete sich auf seine Initiative ein Komitee, das die Strecke bauen wollte. Die Konzession ging später an die Ludwigsbahn-Gesellschaft, die „Pfalz-Zweibrücker Eisenbahngesellschaft“ war raus. „Ganz bescheiden“, zitiert Ammerich, seien die verhinderten Investoren noch bei der Einweihung in Erscheinung getreten. Die Stadt machte sich bereits 1838 in eigener Sache stark. Der Plan damals: Die angedachte pfälzische Ludwigsbahn solle in einem Bogen über Zweibrücken und Annweiler an den Rhein geführt werden. Daraus wurde nichts, München favorisierte die Ost-West-Achse durchs Neustadter Tal, und Zweibrücken wurde erst Jahre später über die Nebenstrecke ab Homburg angebunden.

So lange sich die Vorgeplänkel hingezogen hatten: Kaum hatte Bayernkönig Maximilian II. am 16. August 1853 die Bildung einer Aktiengesellschaft zum Bau der Strecke Homburg-Zweibrücken genehmigt, nahm das Projekt an Fahrt auf. Die Stadt Zweibrücken drängte weiter, 700.000 Gulden kamen durch eine Prioritätsanleihe herein, Grundstücke wurden gekauft. Am 1. Juni 1856 war schließlich Baubeginn. Nur elf Monate später, im April 1857, erfolgte die erste Probefahrt, der Regelverkehr begann am 7. Mai. 40.000 Gulden vom Baukapital waren noch übrig – kein Wunder, dass sich die offizielle Einweihung am 10. Mai 1857, einem Sonntag, als großes Volksfest darstellte: Es gab einen Festumzug in Zweibrücken, das 4. Jägerbataillon spielte auf, 600 Gäste fuhren mit dem schön geschmückten Dampfzug nach Homburg, wo sie herzlich bewirtet wurden. Wer weiß, vielleicht wird es 2021 ja wieder so.

Chronik: Zweibrücker Bahngeschichte (n)

1837 Der bayerische König Ludwig I. genehmigt den Bau der pfälzischen Ludwigsbahn von der Rheinschanze (ab 1843 Ludwigshafen) zur preußischen Grenze bei Bexbach.
1844 Ein privates Komitee um den Maschinenfabrikanten Christian Dingler will eine Zweigstrecke Homburg-Zweibrücken bauen.
1849 Die Ludwigsbahn wird fertiggestellt.
1852 Der Eisenbahningenieur und Direktor der pfälzischen Ludwigsbahn, Paul Camille von Denis, erstellt ein positives Rentabilitätsgutachten für die Nebenstrecke nach Zweibrücken. Die Bahnverbindung von Ludwigshafen über Kaiserslautern und Saarbrücken nach Paris kann durchgehend befahren werden.
1853 Die Konzession zum Bau der Nebenstrecke geht nicht an das Zweibrücker Komitee, sondern an die Ludwigsbahn. Eine Aktiengesellschaft wird gegründet.
1856 Am 1. Juni ist Baubeginn.
1857 Als fünfte Bahnstrecke in der Pfalz geht am 7. Mai die Bahn von Zweibrücken nach Homburg in Betrieb.
1875 Im November ist die Strecke Zweibrücken – Landau durchgängig befahrbar. Zweibrücken wird Durchgangsbahnhof und erhält ein neues Bahnhofsgebäude.
1879 Die Bliestalbahn von Zweibrücken bis Saargemünd eröffnet.
1916 Die kriegswichtige Hornbachbahn Zweibrücken-Brenschelbach wird eröffnet.
1971 Die Hornbachbahn wird am 22. Mai geschlossen.
1989 Ab 27. Mai fahren keine Personenzüge zwischen Einöd und Homburg mehr.
1991 Der Güterverkehr nach Homburg wird eingestellt. Die Strecke Zweibrücken-Homburg ist Geschichte, Zweibrückens Gleisanlagen schrumpfen von 13 auf drei. Die Strecke Landau-Rohrbach/Saar mit Halt in Zweibrücken bleibt in Betrieb.
gi